Johannes Auer ::::::::::::: free lutz! ::::::::::::::
Netzperformance
08.12.2005 BWA Galerien der zeitgenössischen
Kunst, Wrocław , Polen
23.10.2007 Poesis - Poema, Oi Futuro Cultural Cente,
Rio de Janeiro, Brasilien
24.04.2009 Goethe-Institut Montreal
25.04.2009Blue Metropolis International Literary Festival,
Montreal
Ein Meilenstein computergenerierter Poesie sind die stochastischen Texte
von Theo Lutz aus dem Jahr 1959. 'free lutz!' von Johannes
Auer basiert auf der Nachprogrammierung dieser Pioniertat. Gleichzeitig
ermöglicht ein Web-Interface die Beteiligung der Zuhörer an
der Textgenerierung der Maschine.
Ein Meilenstein computergenerierter Poesie sind
die stochastischen Texte von Theo Lutz von 1959.
Theo Lutz hatte für die Großrechenanlage Zuse Z22 ein Programm geschrieben,
um stochastische, d.h. zufallsbasierte Texte zu erzeugen. Dazu hatte er,
auf Max Benses Anraten, je 16 Subjekte und 16 Prädikate aus Kafkas "Schloss"
ausgewählt.
Die Subjekte:
DER GRAF DER FREMDE DER BLICK DIE KIRCHE
DAS SCHLOSS DAS BILD DAS AUGE DAS DORF
DER TURM DER BAUER DER WEG DER GAST
DER TAG DAS HAUS DER TISCH DER KNECHT
Die Prädikate:
OFFEN STILL STARK GUT SCHMAL NAH NEU
LEISE FERN TIEF SPAET DUNKEL FREI
GROSS ALT WÜTEND
„Jedes der gegebenen Subjekte bzw. Prädikate“,
so Theo Lutz in einem Aufsatz von 1959, „jedes der gegebenen Subjekte
bzw. Prädikate soll gleich häufig, also mit gleicher Wahrscheinlichkeit
auftreten.
Die beiden Elementarsätze eines Paares sollen
durch folgende logische Konstanten verknüpft werden:
- durch "und' mit einer relativen Häufigkeit
von 1/8
- durch "oder" mit einer relativen Häufigkeit von 1/8
- durch "so gilt" mit einer relativen Häufigkeit von 1/8
- durch einen Punkt "." mit einer relativen Häufigkeit von 5/8
Als logische Operatoren werden mit gleicher
Häufigkeit verwendet
der Partikularisator "ein, eine, ein",
der Generalisator "jeder, jede, jedes",
der verneinte Partikularisator "kein, keine, keines" und
der verneinte Generalisator "nicht jeder, nicht jede, nicht jedes".
Für die folgende Sendung hat der Netzkünstler Johannes Auer die Pioniertat
von Theo Lutz nachprogrammiert und um ein Web-Interface erweitert, das
es Ihnen, also den Zuhörern, über die Internetadresse http://copernicus.netzliteratur.net
erlaubt, den Wortschatz zu verändern, aus dem die Maschine den Text erzeugt.
Zuhörer und Computer gestalten also die Textbasis der folgenden Sendung.
1959 waren die Computertexte zweifach literarisch
konnotiert. Einerseits durch den benutzten „Kafka“-Wortschatz, andererseits
durch Korrekturen von Theo Lutz. Denn in einem von ihm redigierten Abdruck
einer Auswahl der stochastischen Texte hatte Theo Lutz kleine grammatikalische
Fehler und fehlende Satzzeichen von Hand korrigiert und somit, entgegen
der Programmierung, als „traditioneller“ Autor agiert.
Der Sprecher Peter Gorges
wird daher während der live-Sendung am 8.12.05 die entstehenden Computertexte
in Echtzeit literarisch inszenieren.